um ehrlich zu sein, fällt es mir sehr schwer einen Anfang für diesen Blogbeitrag zu finden. Es geht um ein persönliches Thema, wenn nicht sogar das Persönlichste, das ich jemals öffentlich angesprochen habe. Die Rede ist von meiner Hochsensibilität. Das klingt zunächst ein Mal oft wie eine Krankheit. Doch das ist es keines Wegs. Was Hochsensibilität ist, wie es sich für mich anfühlt und wie es sich bei mir bemerkbar macht und wie man es positiv für sich nutzen kann, möchte ich in diesem Beitrag ansprechen.
Sätze wie ‘Sei nicht so empfindlich’, ‘Nimm es doch nicht so ernst’, ‘Warum weinen?’ oder ‘Vielleicht bildest du dir das nur ein’ höre ich schon mal…
Hochsensibilität – was ist das eigentlich?
In unserer Gesellschaft klingt der Begriff Hochsensibilität negativ. Wer möchte denn schon Schwäche zeigen? Doch ich sehe die Hochsensibilität alles andere als verwerflich und schwach. Sie ist keine Krankheit, sie sorgt nur dafür, dass die Wahrnehmung auf einer viel intensivieren Ebene stattfindet und das Gehirn die Reizüberflutung nicht genug selektieren kann. Neben der veränderten Wahrnehmungsfähigkeit zeichnet hochsensible Menschen oft eine sehr ausgeprägte Intuition, Empathie und Reflektionsfähigkeit aus. Dies trifft auf ungefähr 15-20% der Menschen zu.
Wie ich die Hochsensibilität erlebe?
Bis noch vor einem halben Jahr, kam mir oft die Frage auf, ob was mit mir falsch sei. Weil ich mit meinen Gedanken und Gefühlen bei sehr vielem Menschen auf Unverständnis gest0ßen bin. Seit ich weiß, dass ich hochsensibel bin und was das für Auswirkungen auf den Alltag hat, kann ich damit viel besser umgehen. In den letzten Monaten haben sich viele Puzzleteile zusammengefügt. Es reicht vom Nicht-Ertragen tickender Uhren, über Erschöpfung nach neuen Erlebnissen bis hin zum sich immer drehenden Gedankenkarussell.
Schon als Kind war ich sehr schüchtern. Ich habe nie mit Fremden sprechen wollen. Mittlerweile ziehe ich tatsächlich sehr viel aus dem Miteinander mit anderen. Im Gegensatz zu vielen hochsensiblen Menschen, die sich eher zurück ziehen und ihre Energie daraus ziehen, bin ich sehr gerne in Gesellschaft anderer Menschen. Meine Hochsensibilität äußert sich eher in folgenden Aspekten:
Feine Sinne
Sehen, Schmecken, Riechen, Hören und Fühlen – ich würde behaupten ich nehme die drei Letzteren besonders stark wahr. Ich bin was Gerüche angehtziemlich empfindlich. Ich kann die meisten Parfums nicht tragen ohne Kopfschmerzen zu bekommen. Gleiches gilt fürs Rauchen und Grillen. Wenn in näherer Umgebung geraucht oder gegrillt wird, entferne ich mich gerne etwas, um Kopfschmerzen zu vermeiden. Mich machen tickende Uhren oder rauschende Geräte nervös. So sehr ich Musik liebe, habe ich Phasen, in denen ich nicht aktiv Musik hören kann und mich nur Klaviermusik entspannen kann. Und was das Fühlen angeht, wirst du in den nächsten Punkten verstehen, wie ich es meine. Denn ich verspüre Freude, Trauer, Glück, Wut sehr stark. So einfach ich für die kleinsten Dinge zu begeistern bin, genauso schnell kann man mich auch verunsichern oder verletzen.
Erschöpfung und Spannungskopfschmerzen
Und weil ich so viel fühle sind Dinge wie Messebesuche oder Workshops für mich eine Herausforderung. Wie du weißt liebe ich es, neue Dinge zu sehen, zu lernen und zu erfahren. Aber so ein Messebesuch mit vielen Eindrücken oder ein eintägiger Workshop mit viel neuem Input führt am Ende des Tages schnell zur Erschöpfung. Es fließen so viele Reize auf mich ein, dass ich manchmal nicht hinterherkomme alles zu verarbeiten. Auch Stress und Zeitdruck gehören für mich zu den Dingen, die in mir Unruhe ausgelöst haben. Ich kann mittlerweile sehr gut damit umgehen, aber es gab Zeiten, in denen mich Deadlines so unter Druck gesetzt haben, dass ich ständig unter Spannungskopfschmerzen gelitten habe. Noch heute kommt es vor, dass ich Kopfschmerzen habe, wenn es stressig wird. Stressbewältigung ist daher besonders für hochsensible Menschen ein wichtiges Thema. Wenn ihr mögt, schreibe ich dazu einen separaten Beitrag. Ich kann zum Glück nun sagen, dass sich meine Kopfschmerzen sehr stark reduziert haben und sich mittlerweile an einer Hand abzählen lassen.
Gerechtigkeitsempfinden
Mein Gerechtigkeitsempfinden ist mehr aus ausgeprägt. Ich kann nicht damit umgehen, wenn Menschen einen dreisten Umgang an den Tag legen und ihre Mitmenschen unfair behandeln. Das muss nicht ein mal mich selbst betreffen, wenn es Familie und Freunde betrifft oder auch Fremde betrifft, ist das für mich gleichbedeutend und kaum erträglich. Damit wären wir auch direkt schon beim nächsten Punkt!
Empathie
Mich in andere Menschen hineinversetzen fällt mir nicht schwer. Eher im Gegenteil. Ich fühle oft mit. Was wirklich anstrengend sein kann, wenn du nicht nur deine eigenen Gefühle ordnen musst, sondern die von anderen gleich mit. Ich würde diesen Punkt aber nicht als Nachteil sehen, sondern als einen der größten Vorteile. Für mich ist es eine Besonderheit, weil es so hilfreich ist was Beziehungen jeglicher Art anbelangt. Sobald du dein Gegenüber verstehst und nachempfinden kann was er oder sie fühlt, ist es so viel leichter auf einen Nenner zu kommen und eine Atmosphäre zu finden, die für beide optimal ist. Der Punkt hat sich vor kurzem bei einem Stärken-Test auf der Arbeit ebenfalls heraus kristallisiert: Empathie war von meinen fünf stärken das erste in der Liste.
Weitere Punkte, in denen sich meine Hochsensibilität ausdrückt:
- Schmerzempfinden (nur bei Regelschmerzen deutlich, von denen ich schon ohnmächtig geworden bin)
- Starke Reaktion auf Kaffee (mehr als einen Kaffee am Tag kann ich nicht trinken)
- Intuition (ich spüre fast immer intuitiv wofür oder wogegen ich mich entscheiden soll und was gut für mich oder meine Mitmenschen ist und kann Situationen und Atmosphären innerhalb von Gruppen gut einschätzen)
- Freiheitsliebend & Eigenverantwortung
- Harmoniebedürftigkeit
- Selbstreflexion und Perfektionismus
Es ist anstrengend – hat aber auch viele Vorteile
Seit ich mir darüber bewusst bin, dass ich hochsensibel bin, lebt es für mich sehr viel einfacher. Es hat sich bis dahin immer merkwürdig angefühlt. So unverstanden. Als wäre etwas falsch. Mittlerweile macht alles Sinn und verstehe ich mich selbst und habe gelernt damit umzugehen. Ich weiß, mit wem ich spreche, wenn das Gefühlschaos losgeht. Ich weiß, wann genug Eindrücke auf mich eingeprasselt sind und ich Ruhe brauche. Ich weiß, welche Dinge ich vermeide. Ich weiß vor allem, dass mit mir nichts falsch ist. Ich weiß, dass es sogar viele Vorteile hat.
Wie gesagt tut mir meine Hochsensibilität gut, wenn es um Zwischenmenschliches geht. Sobald du fühlst, was dein Gegenüber fühlt, kannst du viel besser darauf eingehen. Sei es der Arbeitskollege, die Eltern, der Partner, Freunde oder auch einfach nur Fremde Menschen am Telefon oder auf der Straße. Ich würde auch behaupten, dass man mit Hochsensibilität Beziehungen intensiver spürt und das ist einfach so schön.
Ein anderer Punkt, für den ich mehr als dankbar bin, ist meine Intuition. Natürlich liegt sie nicht immer zu 100% richtig. Doch in den meisten Fällen, spüre ich was richtig oder falsch ist. Wofür es besser ist sich zu entscheiden. Wie ein Mensch tickt. Was sich gut anfühlt. Ehrlich gesagt hat es mir in der Vergangenheit oft geholfen und mich vor der ein oder anderen Entscheidung gerettet. Ich bin immer noch oft erstaunt darüber, dass ich immer auf meine Intuition vertrauen kann und sie mich selten im Stich lässt.
So oft mein Perfektionismus mich in den Wahnsinn treibt, so froh bin ich doch am Ende des Tages darüber. Es ist Fluch und Segen zu gleich, einen sehr hohen Anspruch an sich selbst zu haben. Aber ich freue mich, wenn ich ins Bett gehe und weiß, dass ich alles so optimal wie möglich abhaken konnte und meine Kreativität vollkommen ausschöpfen kann und Aufgaben gewissenhaft erledigt sind.
Weil mir meine Hochsensibilität hilft
Dieser Beitrag hat mich unendlich viel Kraft und Tränen gekostet. Wenn sich aber nur eine Person dort draußen ein wenig verstanden fühlt, ist es mir all das wert. Ich habe lange überlegt, ob es ich die Hochsensibilität zu einem Thema hier auf dem Blog machen soll. Der Großteil der Menschen kennt diese Gefühle und diese Wahrnehmung nämlich einfach nicht. Aber ich bin mir sicher, dass wenn du selbst nicht hochsensibel bist, dann hast du Jemanden in deinem Umfeld. Mich hat kein Beitrag jemals so viel Überwindung gekostet, weil man sich mit persönlichen Dingen angreifbar macht. Doch am meisten macht es mich dankbar. Weil es trotz vielen Anstrengungen besonders ist und mir hilft und auch einfach zu mir gehört.
Es gibt einige Tests, mit denen man testen kann, ob man sensibel oder hochsensibel ist. Ich persönlich finde diesen Test von Maria Anna super. Sie ist auch die Stimme hinter dem Podcast Proud to be Sensibelchen, dessen ersten Folgen ich gerne gehört habe. Falls ihr mehr dazu hören möchtet, kann ich dir den Podcast nur ans Herz legen. Und für einen Beitrag von der lieben Alena, die mich inspiriert und ermutigt hat, diesen Beitrag zu verfassen, klickt hier.
Lidia meint
Danke für deinen schönen Beitrag. Ich hab mich in den letzten Jahren auch intensiver mit dem Thema beschäftigt, um besser zu verstehen warum ich so bin wie ich bin. Es hat mir auch geholfen. Ich wünschte nur, von der Umwelt würde noch etwas mehr Verständnis kommen. Wenn ich eine Party als Erste verlasse, weil mein Kopf bereits voller Eindrücke ist, muss ich mich noch immer rechtfertigen und stoße da meistens auf Unverständnis. Aber vielleicht muss ich parallel auch an meiner Geduld arbeiten. Geduld mit mir und meinen Mitmenschen. Jedenfalls finde ich es gut, dass du das Thema angesprochen hast. Je mehr Menschen es verstehen, desto einfacher wird es vielleicht in Zukunft für uns. 🙂 Liebe Grüße, Lidia
inhighfashionlaune meint
Tausend Dank für deinen Kommentar – das bedeutet mir wirklich viel! Ich persönlich habe das mit Parties eher weniger, ich kann es aber super gut nachvollziehen! Es ist aber super schön zu hören, dass du an dir arbeitest – das werde ich auch tun. Hab einen wunderbaren Sonntag und danke fürs Lesen!
Deine Linh
Kathi meint
Liebe Linh,
Sei weiterhin so mutig! Großartig, dass du diesen Post veröffentlicht hast. Ich bin stolz auf dich. Und du weißt, in wie vielen Punkten ich, das von dir Geschriebene nachempfinden kann <3
Deine Kathi 🙂
inhighfashionlaune meint
Danke, Herzi <3 für ALLES!
Alena - LOOKSLIKEPERFECT Blog meint
<3<3<3